Raumbeispiel

Außerschulische Lernorte können unterschiedlichste Formen annehmen. Sie eignen sich für rurale wie urbane Gebiete, wobei der räumliche und thematische Kontext dabei je nach Rahmenthema, inhaltlichen Schwerpunkten und Lernzielen variiert. Auch wenn wir uns im Folgenden exemplarisch auf einen bestimmten Lernraum fokussieren, lassen sich die Inhalte dieses Kurses und die Anwendung mobilder digitaler Medien im Allgemeinen auf viele ander außerschulische Lehr-Lern-Settings übertragen.

Der Wald

Für unseren Kurs bietet sich der Wald als Beispiel an, da er eine vielfältige Gestaltung außerschulischer Lernorte mit und ohne mobile digitale Medien zulässt. Wälder sind vielfältige Naturräume, die kostenfrei und zu jeder Jahreszeit eine Vielzahl an Themen aus der Geographie und darüber hinaus, für unterschiedliche Altersgruppen anbieten oder unterstützen können. ForSE-Folie25

Praxisbeispiel Marburg Open Forest

Die Philipps-Universität Marburg verfügt über ein eigenes Waldstück bei Caldern, das neben seiner forstwirtschaftlichen Rolle auch gerne für Forschungs- und Lehrzwecke genutzt wird. Interdisziplinäre Forschungsprojekte, wie Natur4.0 setzen hier mordernste Messtechnik, automatisierte Sensoren, Fernerkundung mit Drohnen und Satelliten, sowie künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen ein. Ziel ist ein flächendeckendes Ökosystem-Monitoring, die Erstellung von Umweltmodellen und die Prognose zukünftiger Entwicklungen für den Naturschutz. Die moderne Umweltforschung im Marburg Open Forest, regt auch zur Entwicklung innovativer Lehr- und Lernformate an, bei denen mobile digitale Medien eine bedeutende Rolle spielen.

Hinweis: Der zweite Kurs aus dieser Fortbildungsreihe wird im Juli 2023 im Marburger Uni-Wald (Marburg Open Forest) stattfinden.

Themenschwerpunkte

Im Folgenden wird eine Auswahl der im Marburg Open Forest verfolgten Forschungsschwerpunkte kurz inhaltlich dargestellt und in Beziehung gesetzt. Auf dieser fachwissenschaftlichen Grundlage wurden für den Uni-Wald bereits innovative Konzepte unter Verwendung mobiler digitaler Medien entwickelt und Implementiert (siehe Kapitel: Best Practice)

Baum als Individuum

Im Vergleich zum gesamten Ökosystem Wald findet die Betrachtung hier auf kleinstem Raum statt, genauer gesagt wird nur ein einzelnes Individuum mit seinen Funktionen, losgelöst aus seiner Umwelt betrachtet. Mithilfe eines klassischen analogen Messinstruments (Dendrometerband) wird das relative Dickenwachstum der Stämme ausgewählter Bäume erfasst. Parallel werden andere Individuen mit modernster Messtechnik in Form einer Sensorbox (Tree Talker) ausgestattet. Diese nutzt Infrarot zur Erfassung des Dickenwachstums, aber auch Ultraschall um den Stammwassergehalt zu messen und Sonden im Splintholz des Baumes, um den Saftfluss im Stamm zu messen. TreeTalker1 Stamm einer Rotbuche mit Multisensoreinheit (Quelle: Natur4.0)

abiotische Umwelt

Stellvertretend für die abiotische Umwelt mit entsprechenden Einflussmechanismen und Wechselwirkungen wird das Mikroklima an jeweils einer horizontalen und einer vertikalen Achse entlang eines Baumes untersucht. Auch hier wird parallel der Bezug zur Technik gehalten, indem die Messung abiotischer Umweltparameter zur Erfassung von Standortfaktoren (Temperatur, Luftfeuchte, etc.) veranschaulicht wird. Damit findet ein fachlicher Perspektivwechsel statt. Während die räumliche Skala quasi unverändert bleibt, interessiert hier nun der abiotische Teilaspekt der unmittelbaren Umwelt des Baumes. Sensorbox Sensorbox zur automatisierten Erhebung von Mikroklimadaten (Quelle: Natur4.0)

Habitatfunktionen

Schließlich wird der betrachtete Raum vergrößert und mit der biotischen Umwelt und dem Habitat-Konzept neue Fragestellungen eröffnet. So wird bspw. der Bewegung im Raum (z. B. von baumbewohnenden und -nutzenden Tieren) nun eine bedeutende Rolle beigemessen. Hier werden ebenfalls wieder technische Mittel und Methoden eingesetzt. Konkret ist das die Radiotracking-Technik, die es erlaubt mit Hilfe von Funksendern und Empfängerstationen über Triangulation Positionen, und Bewegungsmuster der besenderten Tiere zu erfassen, zu analysieren und schließlich im räumlichen Kontext zu interpretieren. Fledermaus Fledermaus mit Mikro-Funksender (Quelle: Jannis Gottwald)

Künstliche Intelligenz & maschinelles Lernen

Begriffe wie maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz (KI) mögen erst unpassend wirken, wenn es um Umweltmonitoring und Artenschutz gehen soll, sind aber in der wissenschaftlichen Praxis bereits tief verankert. So werden von der automatisierten Auswertung großer Datenmengen bspw. von Kammerfallen mittels Objekterkennung, oder intelligenter Vogelstimmenerkennung, bis zur Datenassimilation viele Arbeitsabläufe unterstütz oder völlig automatisiert. Frei von dem konkrete Raumbezug, aber weiterhin stark anwendungsorientiert, wird hier eine weitere fachliche und vor allem methodische Perspektive auf das Thema eröffnet. Kamerafalle Intelligente Objekterkennung bei Aufnahmen von Kamerafallen (Quelle: Natur4.0)

Fernerkundung

Eine weitere Methode ist die Fernerkundung, die mithilfe von Satelliten, Flugzeug oder Drohnen zwei- oder dreidimensionale Luftaufnahmen des Waldes liefert. Bei längerer und wiederholter Beobachtung kommt hier ggf. die Zeit als eine vierte Dimension hinzu und lässt die Untersuchung von Entwicklungsprozessen im Untersuchungsgebiet zu. Diese wissenschaftliche Untersuchungsmethode findet ihren Anwendungsbezug bspw. im Strukturmonitoring des Ökosystems. Drohne Drohnenaufnahmen zur hochaufgelösten Fernerkundung (Quelle: Natur4.0)

Umweltmodelle

Alle geschilderten Forschungsansätze lassen sich schließlich unter dem Ziel der Ökosystem-Modellierung zusammenbringen. Von der Untersuchung der Individuen (Bsp. Vitalfunktionen Baum) und den entsprechenden Umweltbedingungen (Bsp. Mikroklima), über größere räumliche Prozesse (Bsp. Habitatprozesse und Strukturentwicklung) und der Unterstützung intelligenter Rechen- und Modellierungsprozesse (KI) leisten hierbei alle Forschungsbereiche einen wertvollen Beitrag. Mithilfe dieses Reichtums an erhobenen Daten sollen digitale Waldmodelle erstellt werden, die je nach erreichter Qualität realitätsnahe Simulationen oder gar Prognosen zur Waldentwicklung ermöglichen. WWC Entwicklungsprognonsen (hier zum Stammwassergehalt von Bäumen) mithilfe von Umweltmodellen (Quelle: Natur4.0)

Aktualisiert: